Koray Yılmaz-Günay

Gehören die 600.000 Muslim_innen in der Ukraine zu Europa?

Lassen wir mal die Schwierigkeit beiseite zu definieren, was ein «Kontinent» ist, geographisch, kulturell, historisch, erdgeschichtlich, politisch, in Bezug auf internationale Organisationen usw. Sonst müssten wir uns fragen, warum Teile Frankreichs sich bis heute in Südamerika, in der Karibik und im Indischen Ozean befinden (ebenso: UK, Spanien u.a.), wir müssten wissen, ob Grönland geographisch zu Nordamerika, politisch aber zu Dänemark gehört oder nicht. Auf welchem Kontinent Spitzbergen liegt, was die Azoren mit Portugal zu tun haben, wir müssten klären, ob der Bosporus eine natürliche Grenze Europas ist, obwohl westlich davon 3% des Staatsterritoriums der Türkei liegen. Wir müssten wissen, warum Madeira oder die Kanaren «europäische» Inseln sind, obwohl sie wesentlich näher am afrikanischen Kontinent liegen, warum Zypern Mitglied der Europäischen Union ist, obwohl es nirgendwo anders als in Südwest-Asien liegt, warum Fernsehkanäle aus Kanada, Japan, Mexiko, Brasilien, Indien und Hongkong Mitglied bei der «European» Broadcasting Union sind. Wir müssten klären, ob der Ural-Fluss die östliche Grenze darstellt und wie viel Prozent von Russland und Kasachstan dann «Europa» sind…

All das beiseite. Es wird wenige Menschen geben, die die Wasserscheide des Kaukasus als europäisch-asiatische Grenze ablehnen. Damit liegen Aserbaidschan und Georgien wenigstens teilweise in Europa. Aserbaidschan hat eine Bevölkerung von knapp unter zehn Millionen, davon sind 97% «muslimisch», was auch immer das in einer ehemaligen Sowjetrepublik heißen mag. Schon immer. Oder lang genug.

  • In Georgien (3,8 Millionen) sind 10% «muslimisch».
  • Im Kosovo, 1,9 Millionen Menschen, sind weit über 90% «muslimisch»,
  • in Albanien, 2,8 Millionen, davon fast 60% «muslimisch».
  • In Bosnien und Herzegowina 45% der 3,5 Millionen Menschen.
  • Nordmazedonien: 2,1 Millionen und 40%.
  • Montenegro 19%,
  • Bulgarien 14%,
  • Griechenland 5%,
  • Serbien 4%
  • usw.

Welcher Mensch bei Verstand würde also – und aus welchem Grund – die Frage stellen, ob «der Islam» zu «Europa» gehört? Nur einer, der weiß, dass es «den Islam» so wenig gibt wie «das Europa», aus dem sie nennenswerte Teile des Kontinents (bzw. die Menschen, die sie schon immer – oder lang genug – bewohnen) rausoperieren müssten.

Ganz im Ernst, ich finde es sehr ehrenhaft, wenn Menschen zu belegen versuchen, dass die Einwanderung aus mehrheitlich muslimischen ehemaligen Kolonien und anderen außereuropäischen Ländern ganz furchtbar bereichernd war und ganz und gar keine Probleme verursacht hat und der Menschheit noch nie irgendwo etwas Besseres widerfahren ist und alles. Aber wenn Gesäßbratschen die Frage stellen, ob «der Islam» usw., dann wollen sie all das nicht wissen. Was wie eine Frage formuliert aussieht, hat schon längst eine Antwort. Sie lautet: «Leider nein.» Es ist, genau genommen, nicht einmal ein simpler Aussagesatz, sondern ein Imperativ (Befehlsform, für alle, die unter der Bildung im islamisierten Abendland zu leiden hatten), an dessen Ende bloß ein Fragezeichen steht, um nicht mit dem Großvater verwechselt zu werden, der gern die Frage anders beantwortet hätte, ob Serbien, Kasachstan und das Öl und Gas im Kaukasus zu Deutschland gehören.

Bitte (!) hört doch auf, gegen diesem Unfug zu argumentieren.

[Das Foto [verlinkt beim identischen Facebook-Post vom selben Tag] zeigt eine Moschee in Litauen, nachdem die arme Republik im Baltikum vom Sultanat Brunei besetzt sein wird, also ungefähr im Jahr 1930.]

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