In der Nacht vom 27. zum 28. Juni begann dort im Club «Stonewall Inn» auf der Christopher Street ein tagelanger Aufstand, der sich gegen Polizeirepression und -gewalt wandte. Es waren die Tunten – nicht zuletzt aus ethnischen Minderheiten –, die den Grundstein legten für das, was heute weltweit «Gay Pride» genannt wird. Langer Atem bis zur vollständigen Gleichberechtigung.
Anders als der schwule Mainstream von heute war die Bewegung damals weit entfernt von Respektabilität und dem Wunsch, unter allen Umständen dazuzugehören. Die Befürwortung von Militäreinsätzen, die dem Schutz von Homo-Rechten dienen sollen, oder die Warnung vor der «Überfremdung deutscher Städte» wären bis vor ein paar Jahren in der Szene undenkbar gewesen. Das allgegenwärtige Bild vom besonders homophoben jugendlichen Migranten ist dank der tatkräftigen Unterstützung von Schwulen entstanden, die über die Abwertung von vermeintlich «anderen» die eigene Position in der Gesellschaft stärken wollen. Explizit wegen der Bejahung oder Duldung imperialistischer Kriege und rassistischer Diskriminierung durch Teile der Szene hat die berühmte Philosophin Judith Butler 2010 den Zivilcouragepreis des Berliner CSD abgelehnt.
In der Tat bietet sich ein Blick auf die Zustände im Heute und Hier an. Wir sind trotz kleiner Fortschritte im EU-Vergleich bei der staatlichen Gleichstellung hinterher. Weiterhin gehört homophobes Mobbing zum Schulalltag vieler, schwule und lesbische Jugendliche versuchen viermal häufiger eine Selbsttötung. Kirchen machen eingetragene Lebenspartnerschaften als Kündigungsgrund geltend. Trans- Menschen finden keine Arbeit und sind alltäglicher Gewalt ausgesetzt. Lesben verdienen als Frauen ein Viertel weniger. HIV-Positive verarmen. Hautfarbe oder eine «Behinderung» führen zu Mehrfachdiskriminierung, die sich auch in Szene-Kontexten fortsetzt.
In diesem Zusammenhang ist die Berliner Initiative «Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt» von besonderer Bedeutung. Die Landesregierung hat unter der Regie der LINKEN ein imposantes Paket auf den Weg gebracht, das über 60 Einzelmaßnahmen in Bereichen wie Bildung, Diskriminierung und Gewalt, Dialog und die Angleichung von Rechten umfasst. In Fortbildungen, Studien, Veränderungen im Pflegebereich, Bundesratsinitiativen, Kampagnen und vielem anderen drückt sich der Wille aus, für eine gerechte Gesellschaft zu sorgen. Auch in den anderen elf Monaten des Jahres.
Erschienen in DIE LUPE 6/2011 – Zeitschrift der LINKEN Tempelhof-Schöneberg, Juni/Juli 2011, Seite 4.