Nicht nur der Datenschutz, sondern auch der rechtliche Rahmen wurde dabei ausgeblendet. Seit 2002 gilt Prostitution als Dienstleistung, womit die Arbeitsbedingungen in dem Gewerbe zumindest amtlich wesentlich verbessert wurden. Das Bereitstellen von Kondomen gilt seitdem nicht mehr als Förderung der Prostitution, eine Krankenversicherung kann abgeschlossen, das Entgelt gegebenenfalls eingeklagt werden. Das gesellschaftliche Stigma existiert aber weiter. Wer der Sexarbeit nachgeht, wird häufig in Verbindung gebracht mit Krankheiten, Drogen und Kriminalität. Entweder muss sie/er als Kind missbraucht worden sein, oder aber sie/er wird von Dritten gezwungen, dieser Arbeit nachzugehen. Dass es ökonomischer Zwang sein könnte oder gar eine selbstbestimmte Berufswahl, leuchtet der christlichen und sozialdemokratischen Moral augenscheinlich nicht ein. Das «aggressive Werben» von Frauen stört sie denn auch mehr als der schlechtere Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt, das gewaltförmige Geschlechterverhältnis oder restriktive Einwanderungsbestimmungen, die das Business doch wesentlich mitprägen.
Nachdem sich die Vertreibung von Frauen und Trans-Frauen (Sperrbezirk) in der Vergangenheit nicht durchsetzen ließ, sollen nun also die Kunden ins Visier genommen werden. Erfolgreiche Freier-Arbeit weist explizit darauf hin, dass nur ein akzeptierender Ansatz Erfolg verspricht, etwa im Bezug die Vorbeugung von sexuell übertragbaren Infektionen. Jede Anti-Kampagne hingegen verspricht, die Sexarbeit neuerlich ins Dunkle zu drängen – mit allen negativen Folgen für Sexarbeiter_innen: mehr Gewalt, mehr Scham und Isolation, die krank macht.
Prostitution gibt es im Gebiet seit Jahrzehnten. Ihrer überbezirklichen Bedeutung wird keine Kampagne des Bezirksamtes gerecht werden können. Wegweisend ist die sachliche Arbeit des Quartiersmanagements im Schöneberger Norden und der Projekte, die den Ausgleich zwischen berechtigten Interessen der Anwohnerschaft und den in der Sexarbeitet Tätigen suchen. Repression gegenüber den Dienstleister_innen oder den Kunden, so viel steht fest, verspricht keinen Erfolg.
Erschienen in DIE LUPE 2/2011 – Zeitschrift der LINKEN Tempelhof-Schöneberg, Februar 2011, Seite 7.