Koray Yılmaz-Günay
Tugendterror

Revolutions-Fahrplanauskunft

Ich bin überzeugt, dass die Aussage «Gewalt ist keine Lösung» eine sehr, sehr unnütze – und oft moralisch verwerfliche – Aufforderung darstellt, weil sie pauschal richtig sein will: für alle, überall, zu jeder Zeit, in jeder Situation. Es gab und gibt ziemlich viele Fälle, wo’s stimmt, aber auch ziemlich viele Fälle, in denen Gewalt durchaus eine Lösung war/ist, gegen Ideen, gegen Sachen, auch gegen Menschen. In meinem Kopf befinden sich dafür auf einer Liste mindestens 400 reale und fiktive Fälle aus unterschiedlichsten Zeiten, Kontexten und Kategorien, u.a., aber nicht ausschließlich: Tyrannenmorde, Revolutionen, das Wirken der Inglorious Basterds, Selbstverteidigung und so.

That being said: Wenn ihr am 1. Mai (oder in der Nacht davor) unbedingt etwas kaputt machen müsst, um besonders «revolutionär» zu sein, fahrt doch bitte auch mal da hin, wo der Kapitalismus eher erzeugt und am Laufen gehalten wird als in den Vierteln, wo Menschen Jahre lang auf ihr Auto sparen oder sich verschulden mussten? Wo das Depot nicht bei der Sparkasse geführt wird?

Hier einige Beispiel-Verbindungen:

– Oranienstraße/Adalbertstraße bis Oranienstraße/Lindenstraße ca. 7 min (M29 direkt);
– S-Bhf. Hermannstraße bis Heidelberger Platz: ca. 13 min (S 41/S46 direkt, plus zwei Minuten zur Mecklenburgischen Straße);
– Kottbusser Tor bis Kurfürstendamm: ca. 14 min (U1/U3);
– Hermannplatz bis Friedrichstraße: ca. 16 min (U7/U6 einmal umsteigen);
– S-Bhf. Sonnenallee bis Potsdamer Platz: ca. 31 min (M41).

Einmal im Jahr öffentlicher Nahverkehr für die Revolution, das geht doch! Kreuzberg oder Neukölln → Charlottenburg, Wilmersdorf oder Mitte ist wie Böblingen → Sindelfingen… Nicht schön, aber machbar, Herr Nachbar!

[Und für die Fans des ganz bewussten Konsums: Ja, ich habe zur Kenntnis genommen, wer in Kreuzberg und in Neukölln wohnt (und wer nicht mehr). Ich wohnte seit meiner Geburt – auch am ersten «Ersten Mai in Kreuzberg» – in Kreuzberg, wie auch viele Jahre danach. Damals schon trugen einen nennenswerten Teil des Schadens der Festspiele diejenigen davon, die es heute noch trifft.]

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