Koray Yılmaz-Günay

Tugendterror

Gedanken vor Christi Himmelfahrt

 

Ich habe das erste Gebot heute nur zur Hälfte gebrochen: Ich habe zwar nicht akzeptiert, dass er der HErr, mein Gott ist. Andererseits habe ich (u.a. deswegen) keine anderen Götter gehabt neben ihm. Das zweite Gebot entfiel in Ermangelung der ersten Hälfte des ersten: Ich konnte seinen Namen nicht missbrauchen. Der Feiertag ist erst morgen, ich musste ihn nicht heiligen. – Wir sind immer noch bei einem halben gebrochenen Gebot bis hierhin. Meine Mutter und meinen Vater ehrte ich wie ehedem. Getötet habe ich, nicht willentlich, aber die dicke fette Spinne ängstigte meine Schwester und ich musste eine Priorität setzen. (Minus eins = anderthalb.) Ich habe nicht Ehe gebrochen, denn juristisch und theologisch gilt meine Partnerschaft nicht als solche. Ich habe nicht gestohlen. Das mache ich erst morgen. Ich habe nicht falsch Zeugnis geredet wider meine Nächsten. Dafür war keine Zeit. Außerdem ist immer alles, was ich über meine Nächsten rede, nicht falsch, sondern richtig. Ich mag meine Wohnung und begehrte deswegen nicht meiner Nächsten Haus noch ihr Weib, ihren Knecht, ihre Magd, ihr Vieh noch alles, was meine Nächsten besitzen. Für Produktions- und Verteilungsgerechtigkeit wird im Kommunismus noch genügend Raum und Zeit sein. Alles in allem war ich heute also zu 85% ein guter Christ. Und das Sabbat-Gebot sowie das Bildverbot beiseite – wie auch das Gebot, seinen Namen möglichst oft herzusagen –, war ich wohl auch ein guter Jude und Muslim.


Christus kann morgen, zumindest was mich betrifft, ganz beruhigt gen Himmel fahren. Er ist nicht umsonst gestorben.

read more

Erfolg: serienmäßig

 

Hätte ich viel früher viel mehr Zeit gehabt und/oder während mancher Hustensaft-Kur nicht nur Codein eingelagert, sondern nebenher noch technischen Sachverstand erworben, hätte mir vielleicht der Fehler unterlaufen können, eine Fernsehserie mit dem Titel «How I met your Mudda» zu erdenken. So aber blieb mir der Sachverstand und der Welt dieses Übel erspart – und Welt und ich können weiterhin in der Erwartung leben, dass ein Berliner Club in der Urbanstraße einst zur Kulisse einer wirklich erhellenden Abendunterhaltungsserie werde: «Where I met your brother».

read more

Konservativer Gedanken ohne Nebenwirkung

 

Angehörige nachgeborener Generationen werden nur noch sehr, sehr, sehr zufällig herausfinden können, was es bedeutet, dass nach «Enter Sandman» das Lied «Sad But True» folgt. Viele andere Gedanken sind ebenfalls konservativ, haben aber deutlich mehr Nebenwirkungen.

read more

Konfrontative Pädagogik II


Wenn ich immer öffentlich äußern würde, was ich gern öffentlich äußern würde, könnte ich nach § 130 Strafgesetzbuch recht häufig mit «Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft» werden. Diese Aussicht ist nicht so schön. Die Aussicht, dass Tourette-Karaoke irgendwann als Workshop-Methode anerkannt werden könnte, ist da schon schöner.

read more

Nicht suchen. Finden.

Bei Insekten-Befall in der Wohnung einfach Frotteehandtücher mit deutschsprachiger Schlagermusik beschallen und sie dann an den betroffenen Stellen den kleinen Plagegeistern in den Weg legen.
read more

Quod licet Iovi, non licet bovi

Wollte man an den deutschen status quo selbst anknüpfen, wenn auch in einzig angemessener Weise, d.h. negativ, immer bliebe das Resultat ein Anachronismus. Selbst die Verneinung unserer politischen Gegenwart findet sich schon als…
read more

Sorgfältige Abwege

«Wenn auch die Leben nicht immer unsere Leben gewesen waren, so waren die Toten doch unsere Toten», schreibt der türkische Schriftsteller Mario Levi. Die Toten, ob wir sie kannten oder…
read more

I am a Wutbürger, Baby!

Ich möchte mich bei Olaf Scholz («Sozialdemokratie»), Alice Schwarzer («Bild der Frau»), den Sicherheitsbediensteten der Deutschen Bahn («Hau ab, du N–») und zahlreichen anderen Prominenten und Nicht-Prominenten nienich bedanken für ihre Beiträge im Dienste der allseitigen «Meinungsfreiheit» in unserem Land. Ihre öffentlich geäußerten Gedanken aus den letzten Tagen sind zwar frei, aber sie stehen im Dienst der Unfreiheit. Die oben genannten Personen wissen, dass Prostitution eine Arbeit ist. Dass das Problem Rassismus heißt. Dass kein Mensch illegal ist – nirgends. Dass sie trotzdem willentlich das Gegenteil sagen und mit Macht (z.B. Gesetze, Geld, Befugnisse, Medien) durchsetzen, qualifiziert sie in meinen Augen zu Zombies (Tote, die nicht begraben wurden oder aus dem Grab auferstanden sind).

read more

Konfrontative Pädagogik I

Leute, die gern von «Fremdenfeindlichkeit» sprechen, haben in Zukunft die Möglichkeit, Seminare zum «Theorie und Praxis der Bekanntenfreundlichkeit» bei mir zu belegen. Methodisch wird sich das Angebot an der konfrontativen…
read more

Unter vier Augen wird gern eins zugedrückt

«Asylkompromiss» ist der Name für die faktische Abschaffung des Asylrechts heute vor 20 Jahren: Am 26. Mai 1993 haben sich aus CDU, CSU, FDP und die «oppositionelle» SPD unter Scharfmacher O. Lafontaine darauf geeinigt, dass die Sensibilität des deutschen Mobs wichtiger ist als das Leben von Leuten, die nicht «deutsch» sind und nicht deutsch sein können. Kein Wunder, dass zum Dank fürs Entgegenkommen drei Tage später in Solingen Menschen verbrannt wurden. Kein Wunder, dass Nazis bis heute damit rechnen können, dass im Zweifelsfall sie eher «dazu»-gehören als ihre Opfer.

read more

Ich hege und pflege Pi!

 

Seit kurzem bin ich stolzer Pate der Zahl 3,14159 auf der Internetseite des jungen Vereins Zahlpatenschaft e.V. Die Zahlpatenschaft bietet mir die einzigartige Möglichkeit, mich schützend für meine Zahl einzusetzen und meiner tiefen Verbundenheit für sie Ausdruck zu verleihen… Ziel der Aktion ist es, ein Zeichen gegen national-chauvinistische «Sprachpflege»-Initiativen zu setzen.

Hintergrund (Zitat Zahlpatenschaft e.V.):

Das Projekt «Wortpatenschaft» des Vereins für deutsche Sprache vergibt ab 19 € «deutsche» Worte und zum Schutz und zur Pflege der deutschen Sprache. Nicht erst beim zweiten Blick auf die Wortpatenschaft offenbart sich des Pudels Kern: Mit Aufklebern wie «Der Klügere spricht Deutsch» manifestiert sich hier eine nationalistische Strömung, die um eine vermeintlich deutsche kulturelle Identität durch Ausgrenzung ringt. Die Popularität solch irrwitziger «Sprachpflegeprojekte» vor allem auch im bildungsbürgerlichen Gesellschaftsspektrum scheint dabei äußerst bedenkliche Wirkungen zu entfalten. […] Sprachpflegeprojekte wie die Wortpatenschaft stützen sich auf eine diffuse Angst vor einem angeblichen Verfall der deutschen Sprache. Bemüht wird dabei vor allem die Ablehnung von Anglizismen, welche dafür Sorge trügen, dass Deutsch als solches in absehbarer Zeit nicht mehr existieren werde. Was dahinter steckt, zeigt sich in den sprachlichen Bildern, mit denen diese Angst beschrieben wird: die Reinheit unserer Sprache wird durch Verwässerung bedroht und fällt der Globalisierung, welche in Wahrheit eine Amerikanisierung sei, zum Opfer. Die im Hintergrund der Webseite der Wortpatenschaft heroisch wehende deutsche Flagge offenbart somit den eigentlichen programmatischen Charakter des Projekts: das Wiederauflebenlassen eines vor allem kulturell begründeten Nationalismus.

Wie viel transnationaler und transkultureller sind da Zahlen! Sie sind ein Statement gegen bornierte Kleinstaaterei und für Austausch und Begegnung. Gimmick: Die zu zahlende Gebühr von 15,15 € wird vom Verein für Antidiskriminierungsprojekte gespendet.

read more

Yaşamaya Dair (Nâzım Hikmet Ran)

1 (1947) Yaşamak şakaya gelmez, büyük bir ciddiyetle yaşayacaksın                        bir sincap gibi mesela, yani, yaşamanın dışında ve ötesinde hiçbir şey beklemeden,                        yani bütün işin gücün yaşamak olacak. Yaşamayı…
read more
back to top